Feb 1, 2022
Jonah Wienands

Storytelling: Wie Geschichten verkaufen

"Physikalisch gibt es zwischen dem Lärm und der Musik keine Unterschiede. Dennoch prägen wir uns Musik ein, Lärm nicht." Ähnlich ist es im Content-Marketing. Wir haben zusammengetragen, wie man Storytelling lernen und nutzen kann, um in den nächsten Jahren noch oben mitzuspielen. Dafür haben wir Content-Marketing Experten Michael Otto und Nico Westermann nach ihrer Meinung gefragt. Danke für die spannenden Einblicke!

Der Wissensdurst der Menschheit nimmt zu- und damit auch das Angebot. Wer Storytelling kann, beherrscht die Communities und ihre Aufmerksamkeit. Donald Miller sagte treffend: "Physikalisch gibt es zwischen dem Lärm und der Musik keine Unterschiede. Dennoch prägen wir uns Musik ein, Lärm nicht." Ähnlich ist es im Content-Marketing.

Wir haben zwei “Storytelling Gourmets” befragt: Michael Otto & Nico Westermann.

Was hältst du von Ghostwriting-Agenturen für LinkedIn-Profile?

M. Otto: Völlig legitim. Es gibt "Ghostwriter" für Websites, Blogs, Flyer und alles andere. Ghostwriting für LinkedIn (egal ob Beiträge oder Profil) ist damit nur eine weitere Möglichkeit, jemandem, der schreiben kann, die eigene Bühne auszuborgen. Unsere Designs machen wir (zumindest Unternehmen) ja auch nicht selbst. Warum bei Texten also einen Unterschied machen?

N. Westermann: Das Aufbereiten von Inhalten für LinkedIn kann von Dritten übernommen werden. Wichtig dabei finde ich, dass die Inhalte vollständig von der Person kommen und lediglich das Aufbereiten, also finales Texten, Grafiken, Fotoauswahl, Videoschnitt, abgegeben wird. Dafür gibt es Methoden, die ich auch anwende, mit denen die individuelle Formulierung der Person erhalten bleibt. Nur in Ausnahmen abgegeben werden sollte das Kommentieren und der Austausch mit dem Netzwerk über Direktnachrichten. Ghostwriting mit Inhalten, die nicht von der Person hinter dem Profil kommen, oder sogar erfunden sind, ist ein No-Go.  

Wie wichtig ist Targeting im Content-Marketing?

M. Otto: Die schönste Antwort ever: Es kommt darauf an! Ich zum Beispiel setze zu 0,0 % auf Targeting. Ich gebe mich wie ich bin und adressiere in keinster Weise eine Zielgruppe oder eine Branche. Ich ziehe an, wen ich mit meiner Art anziehe. Und genau das sind die Leute, mit denen ich zusammenarbeiten will. Anders ist es da bei Produkten und Dienstleistungen, die eben speziell für etwas (oder jemanden) geschaffen wurden (Hundeleinen sind für Hundebesitzer, Töpfchen für junge Eltern, Menstruationsartikel für Frauen, ...). Da kann man darauf hoffen, dass die richtigen Leute auf einen aufmerksam werden. Oder aber, man schaltet Ads (die dürfen sich trotzdem wie organischer Content anfühlen), die auf ihre Zielgruppe geclustert sind. Da wollen wir ganz explizit, dass es die richtigen Leute sehen, weil wir in der Regel mein unendliches Werbebudget haben. Wir unterscheiden also zwischen organischem und Paid Content Marketing und holen die Frage auf den Radar, was wir selbst anbieten. Dann entscheiden wir OB wir targeten und wie.

N. Westermann: Kanal und Umfeld für den Content ist essenziell, auf LinkedIn kommt das Netzwerk dazu. Veröffentliche einmal eine Steak-Grill-Anleitung in einem veganen Umfeld. Im richtigen Umfeld targetiert dann gezielte Überschrift- und Wortwahl noch weiter.  

Wieso Marketing häufig Zeit- & Geldverschwendung ist

Marketing könnte so einfach sein. Wir schalten einen Werbespot zu den besten Sendezeiten.  Den Spot bereiten wir lange vor. Knalleffekte, eine Hand voll Action, Blitzlichter und dazu ein fetziger Spruch. Die perfekte Marketingkampagne. Das Verkaufsteam erwartet einen sprunghaften Anstieg der Sales. Und was passiert dann? Der erwünschte Erfolg bleibt aus. Kein sprunghafter Anstieg der Verkaufszahlen. Wieso schlagen so viele Marketingkampagnen fehl?  

Häufige Fehlerquellen: Fehlende Klarheit & verfehlte Emotionsauslösung. Die Werbung ist zu lang oder es wird nicht deutlich transportiert, welche Vorteile der Käufer des Produkts erhält. Kurz: Wer den Adressaten zu einem zu hohen Denkaufwand auffordert, verliert.  

Werbung muss einfach & zugänglich sein. Jeder muss in der Lage sein, sie zu verstehen. Die Botschaft muss klar sein, der Aufbau stringent.  Werbung muss Emotionen wecken. Denn nur mit Emotionen hat der Spot eine Chance, im Gedächtnis der Zuschauer zu bleiben. Nachzuhallen.

Das Produkt muss als lebenserleichternd wahrgenommen werden. Es sollte zum Beispielhelfen zu überleben, die Identität eines Idealbilds zu formen, Liebe zu finden oder eine Familie zu gründen. Steht keiner dieser Aspekte im Vordergrund, ist fraglich, ob der Zuschauer sich morgen noch ans Creative erinnert.  

Eine der größten Herausforderungen im Content Marketing ist es, die Waage zwischen Einfachheit & klarer Botschaft zu halten. Hier der Schlüssel zu erfolgreichem Marketing.  

Von der Litfaßsäule zum Storytelling-Marketing

Marketing gibt es wohl seitdem der Mensch etwas verkauft. Bereits im alten Rom wurden Produkte beworben.

1839 werden in London erstmals Werbeplakate aufgehängt, 15 Jahre später bekommt ein gewisser Ernst Litfaß die Erlaubnis, öffentlich Plakate anzubringen. Der nächste Quantensprung kam dann durch das Radio & Fernseher.  

Letzterer bestimmte bis 1970 den Markt. In den Siebzigern ereilt jedoch ein anderer Trend die Marketingwelt: Telefonmarketing. Dieser Trend sorgte nicht bei jedem für Freudensprünge. Auch heute freut sich niemand, einen Anruf von einem Vertreter zu bekommen.

Die Gegenwartsrelevanz zeigt aber: Es scheint wohl nicht nie zu klappen. Wie sagte mein alter Fußballtrainer? “Wer viel schießt, trifft auch mal.”

Durch digitale Medien in den 90ern entsteht ein komplett neuer Kommunikationskanal. Das Internet mit Suchmaschinen & später sozialen Netzwerken bietet Unmengen an neuen Möglichkeiten, potenzielle Kunden zu erreichen. Content-Marketing war geboren.

Wie Storytelling verkauft

Geschichten packen uns, wir wollen Ihnen zuhören. Uns interessiert, wie die Protagonisten handeln und warum. Gerade in den Anfängen neuer Geschäftszweige oder dem Gründen einer neuen Firma kann Content-Marketing viel zur Aufmerksamkeits- und Interessengewinnung beitragen.

(Du liest ja auch gerade gespannt meine Worte und baust subtil eine Affinität zu swinx auf, nicht wahr? ;) Gut so- weitermachen!)

Deine Inhalte sollten einen Mehrwert haben und gleichzeitig unterhaltsam sein. Das Publikum sollte klar definiert und anvisiert werden: Wäre also gut zu wissen, wer deine Käufer sind. Und was sie aktuell beschäftigt.

Mega-Trend: Die Attention Economy. Geschichten zu erzählen ist neben der Filmindustrie auch in der Marketing-Branche ein Erfolgsrezept. Die klassische epische Geschichte hat einen Hauptcharakter, der ein Problem hat. Dieses bedarf einer Lösung.

Nun trifft die Hauptfigur einen Lehrer, eine neue Inspiration oder einen Guide. Dieser kennt einen Weg zur Problemlösung und setzt diesen mit seinem „Schüler“ in die Tat um.

Nun gibt es entweder das klassische „Happy End“ – oder ein böses Ende. Dieses Aufbauschema lässt sich in vielen Filmen oder Büchern wiedererkennen und ist auch Marketingexperten eine Hilfestellung.  

Doch vergessen wir nicht den Gesichtspunkt der Einfachheit. Zu hoher Verständnisaufwand sorgt weder dafür, dass wir unseren (potenziellen) Kunden im Gedächtnis bleiben, noch, dass jemand unsere Botschaft als wertvoll wahrnimmt.

Was will der Held in meiner Geschichte? Was hindert die Hauptperson, das Ziel zu erreichen? Was erwartet diese nach Erreichen des Zieles?  

Diese Fragen solltet ihr als Unternehmen klar beantworten können – mit Fokus auf eurem Produkt oder eurer Dienstleistung als Schlüssel zum Glück.

Die Werbeaktion muss dem Handlungsfortschritt dienen. Donald Miller bringt es in seinem Buch “Story Brand” auf den Punkt: "Physikalisch gibt es zwischen dem Lärm und der Musik keine Unterschiede. Dennoch prägen wir uns Musik ein, Lärm nicht. Ähnlich ist es im Marketing."  

Wir müssen die Werbung auf das Wesentliche reduzieren. Auch beim Film oder in Büchern werden Figuren, die keinen Beitrag zum Handlungsfortschritt der Geschichte leisten rausgestrichen.  

Reduzieren wir Werbebeiträge auf das Wesentliche, streichen alles Unnützes (hier: Lärm) raus - bleibt die Musik. Das, was im Kopf bleibt.

Das SB-7 Schema nach Donald Miller

Im oben erwähnten Buch thematisiert Miller die wesentlichen Elemente des StoryBrand-Systems. Eine abgespeckte Variante:  

1. Eine Figur  

Jede Geschichte braucht eine Hauptfigur, den Helden. Folgen wir dem klassischen Aufbau einer Story (Brand), benötigt dieser die Hilfe eines Mentors. Jede Firma behauptet von sich, Lösungsansätze für ein bestimmtes Problemfeld zu bieten. Folglich sollten wir in dem Kunden den Helden der Geschichte sehen, nicht etwa in unserer Marke.  

2. Das Problem

Um den Kunden von unserem Produkt zu überzeugen, sollten wir Lösungsanbieter für ein relevantes Problem sein. Das Problem sollte Emotionen anregen, jeder sollte einen Bezug knüpfen können. Kann der Zuschauer keinen Bezug knüpfen, wird er nichts empfinden und den Spot schnell vergessen. Es muss etwas auf dem Spiel stehen.  “Der Schuh muss drücken.”

3. Der Mentor  

Mentoren sind Menschen, die in Filmen die Hauptcharaktere unterstützen und zur Lösung ihres Problems beitragen. Diese Rolle sollte unsere Firma einnehmen. Sieht der Kunde in uns einen Mentor, besser noch einen Guide zum Lösen genau dieser Probleme, haben wir gute Chancen unser Produkt oder unsere Dienstleistung an den Mann zu bringen.  

4. Der Plan  

Der Plan zur Problemlösung ist im Marketing der Plan zur Kundentransaktion. Dieser sollte möglichst simpel sein. Um den Kunden als solchen gewinnen zu können, benötigt dieser einen Plan wie er zu handeln hat, um das Produkt zu kaufen.  

5. Das Handeln

In jedem Film muss der Held seinen inneren Schweinehund erst einmal überwinden. Das zu schaffen ist aber nicht immer leicht. Der eigene Schatten muss erst einmal übersprungen werden. Die Entscheidung zum Handeln entspringt selten dem eigenen Gedankengang. Die Werbung muss eine aktive Aufforderung zum Handeln innehaben (Call-To-Action).

6. Überwindung des Problems

Der Zuschauer muss das Gefühl haben, es stehe etwas auf dem Spiel. Nur bei einem Kauf wird die Gefahr abgewendet. Dem Kunden muss verdeutlicht werden, welche Probleme ihres Lebens mithilfe des Produkts oder der Dienstleistung überwindet werden können.  

7. Der Erfolg

Dem Kunden muss gezeigt werden, wie sich sein Leben verändern könnte, wenn sie unser Angebot wahrnehmen. Der Kunde weiß nicht, wie ihre Marke sein Leben verändern kann. Das muss das Creative ihm zeigen.  

Von der Theorie zur Praxis

Viele große, aber auch kleine Firmen haben Content-Marketing bereits für sich nutzen können. Besonders gelungene Beispiele zeigen wir hier.

Nike & Colin Kaepernick

Der Sportartikelhersteller setzte 2019 mit seiner Werbung ein klares Zeichen. Der zu dieser Zeit stark in der Kritik stehende Kaepernick setzte ein Zeichen gegen Rassismus und Polizeigewalt, indem er sich bei Ertönen der amerikanischen Nationalhymne niederkniete. Für diese Aktion erhielt der American Football Star viel Gegenwind.  

Nike sah hier drin Potenzial und wollte die Marke mit genau den von Kaepernick angesprochenen Werten verbinden. Der schlussendliche Werbespot stellt den Kunden als Helden dar, fordert ihn auf seine Grenzen zu sprengen. Zahlreiche Aufnahmen von Menschen mit körperlichen Einschränkungen oder andere den Erfolg erschwerenden Aspekten unterstreichen: Du bist der Schlüssel, wir können dir helfen. Mit dem Slogan „Just Do It“ wird dieser Nachricht Nachdruck verliehen. Was fällt auf? Die Werbung wirbt kaum. Sie erzählt.

Schon bleibt die Botschaft im Kopf.  


LEGO und die Kraft des Print-Storytellings

Content-Marketing kann auch in anderen Formaten als Video oder Postings auf LinkedIn erfolgen. Häufig unterschätzt ist hier die Macht des Print-Marketings. Die Möglichkeiten, eine Geschichte zu erzählen, sind ziemlich begrenzt. Dass das Sprichwort “Ein Bild sagt mehr als tausend Worte” zutrifft, bringt Lego mit seiner Kampagne auf den Punkt.  

Der Kunde und seine Vorstellungskraft wird hier angesprochen. Die Werbung sagt: “Die Kraft, zu erschaffen was du willst, liegt bei dir. Denn du erschaffst.”

Der Kunde wird klar als Held herausgestellt. Erst durch ihn bekommen die Steine auch eine Bedeutung.  

Das Bild zeigt einmal mehr, dass Videocontent zwar eine gute aber beileibe nicht die einzige Möglichkeit ist, Content-Marketing zu betreiben.  

Die Zukunft des Storytellings

Kein Zweifel: Soziale Netzwerke bestimmen das Leben vieler Menschen Tag für Tag mehr. Gleichzeitig beherbergen die Giganten wie TikTok oder LinkedIn viel Potenzial, um mit Content-Marketing die Nachfrage für das eigene Angebot zu erhöhen

Der kommende Generationenwechsel wird die Zukunft des Marketings beeinflussen wie kein Zweiter.

Ab dem Jahr 2020 werden die “Digital Natives” erstmals die Mehrheit unter den Konsumenten abbilden, Tendenz logischerweise steigend.  

Die Zuschauerzahlen des Fernsehens sinken, Streaming-Anbieter wie Netflix oder Spotify bestimmen jetzt den Markt.  

In Anbetracht der Zahlen liegt es auf der Hand, dass Content-Marketing in seiner Bedeutung steigen wird. Doch je höher die allgemeine Bedeutung, desto höher ist auch die zu überspringende Latte: Die Konkurrenz wird stärker. “Cut through the noise” ist wohl der meistgenutzte Claim von Marketingagenturen in 2022, völlig zu Recht.

Ballen sich Content-Marketing Strategien einer Branche, werden nur die besten Content-Creator nachhaltig Erträge erzielen, sprich: Aufmerksamkeit erhalten.

Lediglich drei Prozent sehen in dieser Taktik einen Hype. Und was kommt nach dem Content-Boom? Feeds können nur eine begrenzte Zahl an Beiträgen darstellen. Wir sind gespannt, was die nächste Stufe sein wird.

Ihr habt Anmerkungen, Ergänzungen oder Fragen? Wir freuen uns, mit euch in Kontakt zu treten.

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